Mitgliederversammlung der FAFCE
Paris, den 20. Oktober 2022
Resolution der FAFCE-Mitgliederversammlung
Unbezahlte Sorgearbeit von Familien: das Herzstück der intergenerationalen Solidarität
Die Europäische Kommission hat kürzlich eine Europäische Care-Strategie vorgestellt. In ihrer diesjährigen Rede zur Lage der Union hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärt, dass es „an der Zeit ist, die Solidarität zwischen den Generationen in unseren Verträgen zu verankern“. Die Föderation der katholischen Familienverbände in Europa (FAFCE) erinnert daran, dass die unbezahlte Sorgearbeit der Familien das Herzstück der Solidarität zwischen den Generationen und der Zukunft von Europa ist. Sie weist darauf hin, dass der Beitrag der Familien die Vorbedingung jeglicher nachhaltiger Entwicklung darstellt.
Angesichts des Vorschlages für eine Ratsempfehlung, den die Europäische Kommission am 6. September 2022 veröffentlicht hat und der eine Überarbeitung der EU-Ziele hinsichtlich der frühen Bildung und Betreuung, auch “Barcelona-Ziele“ (2002) genannt, enthält;
in Erinnerung an die Vereinbarkeitsrichtlinie aus dem Jahr 2019, in Kraft seit dem 2. August 2022, die folgende Maßnahmen einführt: für jeden Elternteil eine Elternzeit von vier Monaten, von denen zwei Monate vergütet und nicht auf den anderen Elternteil übertragbar sind; zehn Arbeitstage Vaterschaftsurlaub im Zeitraum der Geburt des Kindes; fünf Tage Pflegeurlaub pro Jahr; und das Recht, flexible Arbeitsbedingungen zu beantragen;
in Erinnerung an den Bericht der Europäischen Kommission über die Auswirkungen des demografischen Wandels aus dem Jahr 2020, der ausführt dass „der Bedarf an Solidarität zwischen den Generationen eine der Triebkräfte der Erholung Europas ist“;
in Erinnerung an die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 29. April 2021 zu der Europäischen Garantie für Kinder (European Child Guarantee), welche die Mitgliedsstaaten auffordert, “für einen strategischen und umfassenden Ansatz zur Umsetzung der Garantie für Kinder durch angemessene Strategien und Ressourcen zu sorgen, unter anderem durch Maßnahmen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt, zur Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern oder Vormunde und Einkommensbeihilfen für Familien und Haushalte“;
in Erinnerung an die Worte der Resolution der FAFCE-Mitgliederversammlung aus dem Jahr 2021 “Familien sind die demokratische und demografische Zukunft Europas“: „Generationenübergreifende Solidarität und Solidarität zwischen den Familien sind die besten Beispiele, von denen politische Akteure lernen können“;
in Erinnerung an die Resolution der FAFCE-Mitgliederversammlung aus dem Jahr 2020 “Familien sind das Herzstück im Heilungsprozess nach der Pandemie“, welche die Mitgliedsstaaten zur „Förderung einer generationsübergreifenden Solidarität“ aufforderte, denn „alle Generationen hängen voneinander ab und tragen füreinander Sorge“;
in Erinnerung an die Worte von Papst Franziskus in der Enzyklika “Laudato si’”: “Ohne eine Solidarität zwischen den Generationen kann von nachhaltiger Entwicklung keine Rede mehr sein“ (159);
beschließt die Föderation der katholischen Familienverbände in Europa (FAFCE):
Wir nehmen den Vorschlag der Europäischen Kommission, die institutionelle Kinderbetreuung in Europa auszubauen, mit dem Ziel, dass bis 2030 die Hälfte der Kinder unter 3 Jahren und 96 % der Kinder im Alter von drei Jahren bis zum Schuleintritt eine Einrichtung der frühkindlichen Bildung und Betreuung nutzen, zur Kenntnis.
Wir wenden uns bei der Kinderbetreuung in Europa gegen eine einseitige Lösung, die ausgehend vom berechtigten Anliegen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern, darauf abzielt, die maximale Erwerbsbeteiligung der Eltern sicherzustellen – auf Kosten der Familien und auf lange Sicht auch auf Kosten der Nachhaltigkeit unseres Arbeitsmarktes.
Wir rufen die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten dazu auf, in die familiäre Kinderbetreuung mindestens ebenso zu investieren wie in die institutionelle Kinderbetreuung. Familien erbringen ihre Betreuungsleistungen unentgeltlich und sollten diese daher unter den bestmöglichen Bedingungen und Begleitumständen erbringen können.
Die FAFCE ruft die Mitgliedsstaaten der EU zu folgenden konkreten politischen Maßnahmen auf:
- Einführung eines familiengerechten Steuersystems, um die Benachteiligung von Eltern und Sorgepersonen zu verhindern
- Verbesserung des Zugangs der Eltern zu Mutterschutz, Vaterschaftsurlaub und Elternzeit
- Gewährleistung der elterlichen Wahlfreiheit bei der Entscheidung über die Aufteilung der Elternzeit zwischen dem Vater und der Mutter
- Förderung von flexiblen Arbeitsbedingungen für Eltern. Dazu gehören z.B. mobiles Arbeiten, Teilzeitarbeit, Still-, Wickel- und Kinderbetreuungsräume, Belohnung von Arbeitgebern, die Sorgepersonen Karrieereoptionen in Teilzeit eröffnen
- Anerkennung des Rechts auf Nichterreichbarkeit und des arbeitsfreien Sonntags, als grundlegende Freiheit für jeden
- Anerkennung der unbezahlten Sorgearbeit als eine Kategorie von Arbeit, die folgende Rechte beinhaltet:
- Zugang zum Arbeitsmarkt auf der Grundlage von Arbeitsverträgen mit flexiblen Arbeitszeiten
- Anerkennung von Zusatzqualifikationen, die während der Sorgearbeit erworben werden
- Zugang zu Bildung, Berufsausbildung und Umschulung
- Rentenansprüche
- Bekämpfung von Vorurteilen und Diskriminierungen gegenüber Hausfrauen, Hausmännern, Großeltern und Sorgepersonen
- Umsetzung des Nationalen Aktionsplans zur Europäischen Garantie für Kinder – unter Berücksichtigung der aktuell steigenden Energie- und Lebenshaltungskosten
- Einleitung von zusätzlichen Notfallmaßnahmen für kinderreiche Familien und Familien mit einem behinderten Familienmitglied